Der Ioniq hat das Zeug zum neuen Volkshybrid
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ZitatAlles anzeigenIm Grunde müsste jeder Käufer eines Hyundai Ioniq Hybrid eine satte Prämie bekommen, denke ich, während wir beinahe geräuschlos durch die Berliner Innenstadt cruisen. Nicht, weil der Stromer mit seinem zuschaltbaren Benziner ziemlich umweltfreundlich ist. Den Normverbrauch gibt der Hersteller mit 3,4 Litern an. Sondern weil der Wagen so wunderbar entspannt.
So segelt man im Elektromodus ohne jede Hektik und Aggressionen über den Asphalt, dass es der Versicherungsbranche eine Freude sein muss. Denn jeder weiß: Die meisten Unfälle im Straßenverkehr sind die Folge von zu schnellem Fahren. Mit dem Ioniq zu rasen erscheint dagegen geradezu albern. Ist er doch gerade dann besonders effizient, wenn man mit ihm nur so dahinrollt – am besten im Stop-and-go-Verkehr in der Rushhour.
So ist es ein Quell der Freude im Hyundai Ioniq Hybrid, wenn im Kombiinstrument das Kürzel „EV“ für den elektrischen Fahrmodus erscheint. Wann immer ich mich in diesen Wagen setze, überkommt mich ein geradezu sportlicher Ehrgeiz, möglichst viel elektrisch zu fahren und möglichst wenig Sprit zu verbrauchen.
Dabei ist der kompakte Rote kein Schleicher. Herzstück des Hybrids ist ein Vierventil-Vierzylinder mit 105 PS. Dazu gesellt sich ein Elektromotor mit 44 PS, was eine Systemleistung von 141 PS ergibt. Doch die will man gar nicht ausreizen, zumal sich der Verbrennungsmotor (bäääh!) bei flotterer Fahrt relativ rasch zuschaltet.
Dann ist es vorbei mit der Ruhe, und der 1,6 Liter große Benziner macht sich mit einem kernigen Dröhnen bemerkbar. Das klingt fast sportlich und irgendwie unecht, nach Soundchip ab Werk. Und dieser Sound passt nicht zu einem Auto, bei dem der ökologische Aspekt im Vordergrund steht.
Der neue Ioniq biete „umweltfreundliche Mobilität für jedermann“, erklärt der südkoreanische Hyundai-Kia-Konzern, der zur großen Ökomobil-Offensive geblasen hat. Bis 2020 will der Hersteller über zwei Dutzend neue Autos mit alternativen Antrieben auf den Markt bringen, darunter verschiedene Hybride, Plug-in-Hybride sowie reine Elektroautos und solche mit Wasserstoffbrennstoffzelle. Den Ioniq gibt es als Hybrid und reines Elektroauto, demnächst soll zudem noch ein Plug-in-Hybrid auf den Markt kommen.
Die technische Basis teilt sich der Ioniq mit dem Kia Niro, einem schicken Crossover mit Hybridantrieb und Kompakt-SUV-Design. Sein Schwestermodell Hyundai Ioniq ist ebenfalls kompakt, geht aber eher in Richtung Kombilimousine.
In Deutschland werden kaum Hybridautos gekauft
Auffallen wird man mit seinem ziemlich unspannenden Design nicht, aber beim Karosserieentwurf stand wohl der Luftwiderstandsbeiwert im Vordergrund: Der ist mit 0,24 cw ziemlich gut. Mit dem Schrägheck und seinen coupéhaften Rundungen orientiert er sich zudem optisch stark an seinem großen Konkurrenten und Vorbild, dem Toyota Prius. Der hat ebenfalls einen cw-Wert von 0,24.
Der Toyota Prius war der erste massentaugliche Hybrid. Seit 1997 hat Toyota mehr als 3,5 Millionen Prius weltweit verkauft. In Deutschland sind Hybridautos dagegen weiter ein Nischensegment. 2016 lag der Marktanteil der Hybridfahrzeuge an den Pkw-Neuzulassungen in Deutschland bei mickrigen 1,4 Prozent.
Wenn man im neuen Hyundai Ioniq sitzt, fragt man sich, woher diese Zurückhaltung kommt. Pkw aus Südkorea sind schon längst keine Billigautos mehr. Sitzheizung, beheizbares Lenkrad, Lederpolster, Klimaautomatik, elektrischer Memory-Sitz, großes Audio- und Navigationssystem: Wer einen Ioniq mit der höchsten Ausstattungslinie Premium wählt (Grundpreis 30.270 Euro), hat Features an Bord, die lange der Premiumklasse vorbehalten schienen.
Auch die Liste der Assistenzsysteme ist lang: Frontaufprall-Warnsystem, autonomer Notbremsassistent oder Smart Cruise Control mit Abstandsregelung sind serienmäßig, auch beim Einsteigermodell Trend. Dort fehlen zwar etliche Komfortextras, dafür liegt der Grundpreis nur noch bei 23.900 Euro. Den Toyota Prius gibt es erst ab 25.150 Euro.
Hat der Hyundai Ioniq damit das Potenzial zum Volkshybrid? Eindeutig ja, solange deutsche Hersteller fast nur Hybride im Luxussegment weit jenseits der 50.000 Euro anbieten.
Bei Alternativen aus Fernost wie Prius oder Ioniq ist der Kaufpreis dagegen immer weniger ein Argument, sich gegen einen Hybrid und für einen reinen Diesel oder Benziner zu entscheiden. Insbesondere die große Krise des Diesels – über Fahrverbote selbst für moderne Euro-6-Selbstzünder wird schon diskutiert – dürfte Hybridautos in den kommenden Jahren zum endgültigen Durchbruch verhelfen.
Im Hyundai Ioniq fährt man selten aggressiv
Ein Wunderauto ist der neue Hyundai Ioniq Hybrid trotzdem nicht. Vom angeblichen Normverbrauch von 3,4 Litern (beim Premium-Modell sind es wegen des höheren Gewichts 3,9 Liter) sind wir bei unserem Test am Ende doch ziemlich weit entfernt.
Unter fünf Liter sind eigentlich nur über Land bei gemächlichen 70 Stundenkilometern machbar. In der Stadt genehmigt sich der Hybrid locker acht Liter und mehr – und das bei gemächlicher Fahrweise.
Und ich fahre wirklich gemächlich mit diesem Ökoauto. Das bestätigt der Bordcomputer, der in der Rubrik „Mein Fahrmodus“ ausrechnet, wie ökologisch man unterwegs war: Bei mir sind es am Ende 59 Prozent, also fast zwei Drittel der Fahrt.
Der Rest meiner Fahrweise war „normal“, und nur in zwei Prozent war ich „aggressiv“ unterwegs. Sportliches Fahren, das ist wohl von gestern.